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  • AutorenbildKarolina Kulik

Fassadendämmung: ein Überblick

Aufnahme einer Fassade mit der Wärmebildkamera
Transmissionswärmeverluste bildlich erklärt.

"Ich will nicht in einer Plastiktüte leben!"

"Die energetische Sanierung amortisiert sich nicht!"


Die energetische Sanierung von Gebäuden ist in den letzten Jahren mancherorts in Verruf geraten. Warum soll man überhaupt dämmen? Welche Teile des Gebäudes soll man dämmen? Mit welchem Material?


Die Fassade ist meistens der größte Bestandteil der Gebäudehülle, daher kann über sie viel Wärme verloren gehen. Und deswegen will ich mich in diesem Beitrag der Fassadendämmung widmen.


Kleine Warnung: heute wird es etwas technisch. Ich habe mich bemüht, das komplexe Thema vereinfacht darzustellen, dadurch klingen einige technische Zusammenhänge einfacher als sie sind - der Beziehungsstatus des Architekten mit der Bauphysik ist kompliziert.


Klar ist: wird der Energieverlust mit einer Fassadendämmung gemindert, müssen Sie weniger heizen und sparen entsprechend Geld.


Über die Heizkostenersparnis hinaus gibt es noch weitere interessante Aspekte der Wärmedämmung an Außenwänden. Das Raumklima in einem gedämmten Gebäude ist angenehmer als im ungedämmten. Ungedämmte Außenwände sind kalt, und dadurch empfinden wir die Raumtemperaturen niedriger als sie tatsächlich sind. Das verleitet uns dazu, die Heizung noch höher aufzudrehen.


Erkenntnis: ungedämmte Räume werden subjektiv kälter empfunden als sie wirklich sind.


Die Wärmedämmung hilft, Schimmel vorzubeugen. Das normale Bewohnen einer Immobilie bringt täglich einen Feuchteeintrag mit sich. Durch Atmen und Schwitzen geben die Bewohner Feuchtigkeit an den Raum ab. Hinzu kommen Tätigkeiten wie Duschen, Baden, Geschirrspülen und Wäsche trocknen. Auch unsere Zimmerpflanzen geben Feuchtigkeit an die Raumluft ab. An kalten Bauteilen kann diese Feuchtigkeit kondensieren, und Schimmel kann sich ausbreiten.


Eine Vokabel, die kaum ein Bauherr kennt, ist der "Taupunkt". Das ist, vereinfacht gesagt, die Temperatur, bei der die in der Luft enthaltene Feuchtigkeit sich als Flüssigkeitströpfchen niederschlägt.


Beispiel: wenn es in einem Zimmer 22 °C warm ist, die Luftfeuchtigkeit bei 70% liegt und die Oberflächentemperatur z.B. an der Fensterleibung oder in der Zimmerecke unter 16 Grad sinkt, kondensiert an dieser Stelle Feuchtigkeit aus der Luft, und dort kann sich dann Schimmel bilden.


Es gibt bestimmte Stellen im Haus, an denen die Taupunkttemperatur früher unterschritten wird und die somit besonders für Schimmelbildung anfällig sind. Man nennt sie "geometrische Wärmebrücken". Immer dann, wenn die Außenfläche des Bauteils größer ist als die Innenfläche, zum Beispiel in der Zimmerecke, fällt die Temperatur an diesem Teil der Wand stärker ab als in der geraden Wand mit gleicher Außen- und Innenfläche. Logisch, die äußere kalte Wandseite einer Hausecke ist größer als die innere warme Seite.


Mit dem Einbau einer Wärmedämmung sinkt die Oberflächentemperatur der Wand nicht mehr unter den kritischen Wert, bei dem Kondensat ausfällt. Deswegen hilft die Wärmedämmung, Schimmel vorzubeugen.


Folgerung: Wärmedämmung hilft, Schimmel vorzubeugen.


Es gibt noch weitere Wärmebrücken, die bedingt durch Materialwechsel in der Konstruktion sind (Beton oder Stahlbauteile). Im Neubau werden solche Wärmebrücken "thermisch entkoppelt". Das bedeutet, es wird beim Bau des Gebäudes darauf geachtet, dass solche "kalten" Bauteile schon beim Bau mit einer Wärmedämmung eingepackt oder mit Wärmedämmung getrennt werden.

Nicht so im Altbau. Der Klassiker: eine durchbetonierte Balkonplatte. Eine Geschossdecke aus Beton wird von innen nach außen durchgeführt - eine Wärmebrücke erster Güte. So etwas wurde in Deutschland bis in die siebziger Jahre hinein gebaut.

Durch "Einpacken" mit Wärmedämmung können diese verbreiteten alten Bausünden nachträglich behoben werden.


Erkenntnis: Wärmedämmung hilft, Wärmebrücken zu mindern.


Halten Sie durch, Sie haben schon die Hälfte geschafft, und am Schluss kommt noch ein nettes Katze-auf-Baustelle-Bild, dafür lohnt es sich bis zum Ende dran zu bleiben ;)!


Wer neu baut, ist der Energieeinsparverordnung unterworfen. Der Gesetzgeber stellt seit 1977 Regeln zur erforderlichen Wärmedämmung auf. Es gar nicht anders als nach bestimmten Vorgaben zu dämmen. Die Energieeinsparverordnung wird immer wieder verschärft. Was früher als Niedrigenergiehaus galt, ist heute der Standard. Was nicht jeder weiß ist, dass auch Sanierungen dieser Regelung unterworfen sind. Bei der Sanierungsplanung Ihres Gebäudes muss deswegen auch ein Wärmeschutznachweis erstellt werden. Dabei werden die benötigten Dämmstärken aller Bauteile berechnet. Die Anforderungen bei der Altbausanierung sind dabei nicht so streng wie beim Neubau. Denkmalgeschützte Gebäude werden ebenfalls gesondert betrachtet.

Außerdem kann, je nach Alter des Gebäudes, nicht einfach so eine Dämmplatte auf die Wand geklebt werden. Besondere Überlegungen erfordern feuchte Wände, bereits gedämmte Wände, mehrschalige Konstruktionen, besonders erhaltenswerte Fassaden etc. Der Job des Architekten besteht in diesem Fall darin, diese Besonderheiten zu erkennen und ganz individuell eine Sanierung zu planen, die zu Ihrem Gebäude passt.


Egal ob Neubau oder Sanierung, wer es noch besser machen will als der Standard, der dämmt nach KfW-Kriterien. "Als Referenz dient ein KfW-Effizienz­haus 100, das den Vorgaben der Energie­einspar­verordnung (EnEV) entspricht. Im Vergleich zum Referenz­gebäude der EnEV benötigt das Effizienz­haus 55 nur 55 % der Primärenergie. Zudem liegt der Trans­missions­wärme­verlust bei nur 70 %. Der bauliche Wärmeschutz ist somit um 30 % besser."



Überraschende Erkenntnis: wer seine bestehende Fassade verändert (neue Fenster herstellt, den Putz erneuert) ist grundsätzlich gesetzlich verpflichtet, die Fassade mindestens nach den Vorgaben der Energieeinsparverordnung zu dämmen.


Je nach Außenwandkonstruktion des Gebäudes kommen verschiedene Methoden zur Dämmung in Betracht. Am meisten bekannt ist der sogenannte Vollwärmeschutz, bei dem eine Dämmplatte an die Außenwand geklebt und/oder gedübelt wird. Darauf wird verputzt. Dabei müssen die Materiallagen aufeinander abgestimmt werden - das nennt man ein WDVS - Wärmedämmverbundsystem. Das komplexe Thema WDVS verdient einen eigenen Beitrag...

Eine weitere Möglichkeit stellt die Vorhang-Fassade dar. Dabei wird ein Dämmstoff an der Fassade montiert, und die eigentlich sichtbare Fassadenbekleidung wird auf einer Unterkonstruktion (also hinterlüftet) vor den Dämmstoff gehängt. Daher kommt die Bezeichnung Vorhang-Fassade. Man hängt also keinen Vorhang vor die Fassade, sondern Fassadenplatten, Holzverschalungen oder überputzbare Platten, die den Eindruck einer verputzten Fassade erwecken.

Manchmal findet man im Altbau zweischaliges Mauerwerk. In diesem Fall bietet sich die Einblasdämmung an. Der bestehende Hohlraum zwischen den zwei Wandteilen wird mit Wärmedämmung gefüllt.


Wichtig: die Dämmmaßnahmen sind je nach Ausgangssituation zu planen.


Die großen Nachteile einer nachträglichen Fassadendämmung sind die Kosten und die schwer nachzuvollziehbare Amortisation dieser Maßnahme. Die ersten Zentimeter der Dämmung bringen den größten Effekt und zahlen sich schnell aus. Danach muss die Dämmung immer stärker erhöht werden, um eine wesentliche Veränderung in der Dämmwirkung und der Ersparnis zu erzielen. Ein Energieberater kann Sie dazu beraten und eine Kosten-Nutzen-Rechnung aufstellen.


Die unterschiedlichen Sanierungsvarianten ziehen begleitende Arbeiten mit sich. Wird die Fassade nach außen gedämmt, müssen die Regenfallrohre vorversetzt werden. Alle überstehenden Bauteile wie Dachränder und Fensterbänke müssen an die neue Fassadendicke angepasst werden. Vordächer oder Balkonplatten werden entweder mit eingedämmt oder abgetrennt und thermisch entkoppelt neu gebaut. Toranlagen, die direkt an's Haus gebaut wurden, Blitzschutzleitungen an der Fassade, Geländer, angebaute Garagen, Außentreppen... das alles sind die kleinen Schikanen, um die Ihr Architekt sich in der Planung kümmern muss, und manche alten Häuser sind hinterhältig und für Überraschungen gut. Dass es am Ende auch gut aussehen soll, das versteht sich.



Bestandsfassade schließt an einen anderen Hausteil an.
Bevor die Wand gedämmt werden kann, müssen die Rinne gekürzt, das Fallrohr vorversetzt, die Fensterbank verlängert, der Anschluss an das Dach geplant werden...

Erkenntnis: die Planung einer Fassadendämmung erfordert mehr als nur die Auswahl des Materials. Alle angrenzenden Bauteile wollen bedacht und sinnvoll in der Sanierung behandelt werden.


Soweit der Überblick über den Sinn, die Pflicht und die Kür der Fassadendämmung. Nun habe ich nicht alles behandelt, was Sie schon immer über Wärmedämmung wissen wollten und nie gewagt haben zu fragen. Zwischen durch musste ich unter anderem einen Bauantrag einreichen und ein Poolhaus planen.


In einem weiteren Artikel will ich die beiden häufigsten Dämmmaterialien Polyurethandämmung und Steinwolle gegeneinander antreten lassen und Vor- und Nachteile beider aufzeigen.


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Wenn Sie konkrete Fragen zur möglichen Dämmung an Ihrem Haus haben, stehe ich gerne zur Verfügung. Schreiben Sie mir eine kurze Nachricht.


Vorbereitung der Fassadensanierung: Wärmebrücken beseitigen.
Und zum Schluss das versprochene Bild. Vorbereitung für die Fassadendämmung: Beseitigen der Wärmebrücke durch Trennen des Garagenvordachs von der Hauswand. Der Katze gefällt's.
 

Schöne Grüße, Karolina Kulik, Architektin












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