Keine Pläne vom Haus vorhanden, was tun?
Sie würden gerne Ihr bestehendes Haus umbauen, aber es gibt keine Pläne? Was tun?
Sie können bei der Bauaufsicht nach archivierten Plänen fragen. Jede erteilte Baugenehmigung wird aufbewahrt und kann zur Sichtung aus dem Archiv bestellt werden. Sie können natürlich nicht aus Neugierde die Unterlagen ihres Nachbarn einsehen, die Akten werden nur bei begründetem Interesse also in der Regel durch den Eigentumsnachweis zur Verfügung gestellt. Dieser Service ist meist kostenpflichtig. Ihr Architekt kann in Ihrem Namen Unterlagen für Sie ordern, dazu benötigt er eine Vollmacht. Eine Einschränkung gibt es für Gebäude, die vor dem zweiten Weltkrieg gebaut wurden: oft sind die Archive samt Unterlagen im Krieg vollständig zerstört worden. Dann ist auf diesem Weg leider nichts mehr zu holen. In diesem Fall kann die Bestandsaufnahme Abhilfe schaffen: der Architekt kann Ihr Gebäude sichten, vermessen und dokumentieren.
Bestandsaufnahme, Bestandsaufmaß, Vermessung, Bauaufnahme, Aufmaß.
Das sind viele Worte für die Detektivarbeit am Altbau und sie meinen alle dasselbe. Das Ergebnis dieser Arbeit nennen wir "Bestandspläne" oder "Bestandsplanung". Es wird also der Plan vom bestehenden Haus gezeichnet, der Ist-Zustand eines Gebäudes wird dokumentiert. Mit der Gebäudevermessung werden die Größe und die Höhe des Hauses, die Quadratmeter und die Lage der Räume aufgenommen. Dabei können verschiedene Ziele verfolgt werden. Die Pläne, die nach der Messung gezeichnet werden, können eine Grundlage für die Umbauplanung liefern, der Berechnung der Quadratmeter zur Vermietung oder Verkauf dienen oder auch die Gebäudegröße und Materialbeschaffenheit zum Abriss definieren.
In manchen Fällen liegen zwar Pläne für Bestandsimmobilien vor, aber sie sind unzureichend oder nicht mehr aktuell. Auch dann ist das Aufmaß sinnvoll. In der Bestandsaufnahme erfolgt ein Abgleich der vorhandenen Pläne mit der tatsächlich vorhandenen Bausubstanz.
Ein besonderer Fall der Bestandsaufnahme liegt vor, wenn nicht nur ein Gebäude sondern ganze Straßenzüge in der Umgebung vermessen werden. Das ist erforderlich, wenn für eine Genehmigungsplanung (= Bauantrag) ein Einfügungsnachweis eingereicht wird. Dieser Nachweis ist immer dann nötig, wenn kein Bebauungsplan für ein Gebiet vorliegt, in dem sich das Grundstück befindet. Dann muss sich der geplante Umbau oder Neubau in die Umgebungsbebauung einfügen, und das wird mit Zeichnungen und Fotos dargestellt.
Zusätzliche Infos zu diesem Thema finden Sie hier:
Welche Überraschungen oder Erkenntnisse können auf Sie warten?
Oft kommt es vor, dass nicht alle Gebäudeteile der Baugenehmigung entsprechen. Das wird in einer Bauaufnahme erkannt und als aktueller Bestandsplan gezeichnet. Die festgestellten Abweichungen von Altplänen zum tatsächlichen Stand des Gebäudes sind nicht nur für den Umbau relevant. Sie müssen auch nachgenehmigt werden. Im Bauantrag wird dargestellt werden, welche Gebäudeteile davon betroffen sind.
Für den Umbau eines Gebäudes ist nicht nur die Raumgeometrie interessant, sondern auch die Bauweise. In einer Bauaufnahme können die verwendeten Baustoffe gesichtet und bestimmt werden und die Konstruktion wird erfasst. Ihr Planer lernt das Haus wie ein Detektiv kennen und leitet daraus sinnvolle Sanierungsmaßnahmen ab. Unsere Bautechnik ist heutzutage derart ausgereift, dass wir prinzipiell jeden Bauherrenwunsch umsetzen können. Aber ist das auch sinnvoll? Bleibt der Umbau noch im Kostenrahmen? Rückschlüsse auf die Konstruktion oder die zu reparierenden Schäden liefern rechtzeitig Informationen, die zu einer stimmigen Kostenplanung führen.
Übrigens: eine Bestandsaufnahme ist eine besondere Leistung (keine Grundleistung nach HOAI) und kann bei einem Architekten auch separat von einem Planungsauftrag bestellt werden.
Die Bestandsaufnahme ist ein sehr spannender Teil der Architektentätigkeit: wie ein Detektiv unterwegs sein, das Gebäude erkunden, verstehen und darüber phantasieren, was sich daraus alles machen lässt. Dafür sehe ich gerne über die feuchten Kellerräume, Wespennester im Dachboden, vielleicht nicht mehr ganz belastbare Balken und vor Kälte steif werdende Finger hinweg.
Schöne Grüße, Karolina Kulik, Architektin
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